Drei Gründe für den Erfolg des Olaf Scholz

14. Sep 2021 | w&v, Presse-Publikation

Bundeskanzler Olaf Scholz

Wer glaubt, die Sozialdemokraten profitieren nur davon, dass ihr Chef Olaf Scholz der Einzige sei, der sich durch eigene Dödeligkeit nicht ins Aus geschossen hat, springt zu kurz. Ein Blick hinter das Profil der Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf und eine Suche nach starken Marken in der Politik.

1. Authentizität vor Charisma

Der Schub, der den Scholzzug spät, aber dynamisch ins Rollen gebracht hat, kommt von den Wahlkampfstrategen der SPD. Sie präsentieren Olaf Scholz so, wie er ist: langweilig. Jede Frage wird hanseatisch zurückhaltend, aber freundlich wegmoderiert. Scholz hat nicht mal ansatzweise Privates preisgegeben oder versucht, einen der vielen Angriffe der Konkurrenz aggressiv zu kontern.

Scholz ist fade und lächelt mit dem Charisma einer Tasse Kamillentee.

Er ist ganz bei sich. Die Wirkung seiner Marke beschränkt sich darauf, dass er nicht stört.

Die New York Times titelte kürzlich über den deutschen Wahlkampf „No Charisma, please!“ und zeigte sich verwundert über den deutschen Hang zum Langweiler. In der Tat spielt Charisma in der deutschen Wählergunst keine Rolle. Oder warum sonst dürfen die beiden Charakterköpfe, Söder und Habeck, nicht die erste Geige spielen? Glaubwürdigkeit und Echtheit sind entscheidend, um in Deutschland als Marke ernstgenommen zu werden. Das gilt auch und vor allem für Politikermarken. Authentizität vor Charisma ist „very German“.

Vielleicht ist im Zeitalter von Shitstorms und Cancel Culture der authentische Langweiler der Einäugige unter den Blinden? Sind wir selbst schuld am Siegeszug des Politik-Langweilers?

Alle schreien nach Marken, die Haltung zeigen. Unternehmensmarken sollten Nachhaltigkeit in den Kern ihres Handelns stellen. Schauspieler und Sportler sollen in den Sozialen Medien Stellung beziehen. Doch wer sich exponiert, riskiert den digitalen Bumerang. Urheber des Shitstorms sind wir, die nur auf Fehler unserer Politiker warten und beim erstbesten Versprecher draufhauen. Wenn wir Politiker mit klarer Haltung wollen, müssen wir ihnen auch zugestehen, Fehler zu machen. Haben nicht vor der Coronakrise alle von einer Merkeldämmerung gesprochen, verbunden mit dem Ruf nach einer starken Persönlichkeit, die unser Land durch diese volatilen Zeiten führt? Dann kam mit Corona das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität zurück. Wollen wir eine Gesellschaft der Anpacker oder der Wegducker? Ich bin überzeugt, wir brauchen endlich wieder echte Vorbilder statt profilloser Marionetten.

 

2. Scholz‘ klare Botschaft gewinnt

Den zweiten Trumpf im Wahlkampf hat ebenfalls die SPD in der Hand: Die Macht der klaren Botschaft.

Die Analyse der Wahlplakate zeigt, dass die Wahlslogans der SPD mit Klarheit und Nutzen bestechen. Mit „Kanzler für stabile Renten“ und „Jetzt 12 EURO Mindestlohn wählen“ erzeugt die Partei ein klares Bild. Unterstrichen werden die Aussagen vom übergreifenden Kampagnenclaim „Scholz packt das an“. Auch hier ist die Union schlechter aufgestellt. „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“ ist so nebulös wie Laschet selbst.

Mit der bewährten MIIIKA-Methode haben mein Team und ich die Botschaften aller Wahlplakate auf ihre Wirksamkeit untersucht. Bei der Bewertung geht es nicht um subjektives Gefallen, sondern um messbare Kriterien wie Merkbarkeit und Identifikationsstärke. Die SPD führt das Ranking mit 85 Prozent Wirksamkeit deutlich an. Es folgen abgeschlagen: Die Grünen mit 61%, die FDP mit 59% und CDU/CSU mit 47% Wirksamkeit.

Einzig die Sozialdemokraten haben eine funktionierende Plakatkampagne.

Die Metapher des Einäugigen unter den Blinden böte sich hier erneut an. Doch wir üben uns in Scholz‘scher Gelassenheit.

 

3. Persönlichkeitswahl ohne Persönlichkeiten

Bundestagswahlen sind Persönlichkeitswahlen. Der Spitzenkandidat ist das Gesicht, das Identifikation ermöglicht und die Parteimarke greifbar macht. Der größte Bedarf an Profilierung existiert deshalb bei den Personen, nicht bei den Parteien. Umso erstaunlicher, dass die
Profilierung und Identitätsentwicklung bei Spitzenpolitikern noch immer unterschätzt wird. Gemeint sind nicht PR-Beratung oder Körpersprache-Training. Sondern dass jeder Spitzenpolitiker in einem Satz ausdrücken kann, wofür er unverwechselbar steht. Echt und authentisch. 

Keine der drei größten Parteien schafft es, das Spitzenpersonal als Persönlichkeit vernünftig zu profilieren.

Zeit für Gefühle. Das Gefühl ist die stärkste Kristallisation der Persönlichkeitsmarke schlechthin. Das Gefühl, das nach einem Kontakt hängen bleibt, ist entscheidend und vergleichbar mit dem USP einer kommerziellen Marke. Wofür Armin Laschet steht, gilt als gut gehütetes Geheimnis. Er weicht klaren Positionen aus, vermittelt kein klares Gefühl. Hier zeigt sich die Überlegenheit von Olaf Scholz in diesem Wahlkampf. Kein Interview, in dem er nicht erwähnt, dass wir wieder „mehr Respekt in unserer Gesellschaft“ brauchen. Auf seinem Wahlplakat prangt in großen Lettern „Respekt für Dich“. Das konsistente Vermitteln von Respekt macht aus dem „Scholzomaten“ einen anfassbaren Menschen. Zudem strahlt er mit seiner zurückhaltenden Art durchaus Souveränität aus. Das lässt ihn, als einzigen der drei Kanzlerkandidaten, wenigstens ein bisschen staatsmännisch wirken.

Laschets eigene Gefühlswelt müsste zunehmend von Verzweiflung bestimmt sein. Noch immer beherrscht sein schwacher Moment im Zentrum der Flutkatastrophe unsere Wahrnehmung. Das Gefühl, das die Menschen mit ihm verbinden, ist – als Antipode zu Scholz – Respektlosigkeit. Das wäre nicht so tragisch, wenn er strategisch etwas entgegenzusetzen hätte. Eine klare Botschaft, einen starken Antrieb hinter seiner Bewerbung. Doch wir spüren … nichts. Und so prägt ein unpassender, ein lascher Moment seine Reputation.

Vielleicht war Laschets Lacher der Katalysator für den Erfolg der Respekt-Kampagne von Scholz.

Bei Annalena Baerbock zeigen die Gefühlsantennen stabil auf Unsicherheit. Zu wacklig sind ihre Auftritte, zu vage ihre Statements. Das ist Gift für den Aufbau von Vertrauen und einer starken Persönlichkeitsmarke. Mit ihrem Dilettantismus ver-baer-bockt sich die Grünen-Chefin alle Machtambitionen zunehmend. Man wird den Eindruck nicht los, das angestrebte Amt sei ein paar Nummern zu groß für sie.

Sie könnte lernen von der aktuell stärksten deutschen Politikermarke: Christian Lindner. Der FDP-Parteichef steht für Aufbruch. Doch ihm ist der Weg ins Kanzleramt qua Parteizugehörigkeit versperrt.

Summa Summarum steht Scholz für Respekt. Laschet für Respektlosigkeit. Baerbock für Unsicherheit. Sind es doch die Schwächen der einst Siegessicheren, die den Hanseaten stärker erscheinen lassen als er (vielleicht) ist?

Die stärkste Politikermarke aller Zeiten, J.F. Kennedy, hat uns gelehrt, wie Politiker zu starken Marken werden. Sein Leitsatz:

„Sei immer du selbst und anders als die anderen.“

Scholz hat verstanden, sich nicht zu verstellen und wird durch einen klaren Fokus in seiner Wahlkampagne unterstützt. Sein „schlumpfiges Lächeln“, das ihm Markus Söder einst attestierte, könnte bald ein Siegerlächeln sein. Dann kann die Spielzeugfirma Schleich ihr Schlümpfe-Figuren-Set erweitern. Um einen farblosen Kanzler-Schlumpf.

 

Bildquellen: W&V; fsHH auf Pixabay

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