Drei Learnings für Führungskräfte: Authentizität, Klarheit und Emotionalität

23. Sep 2021 | DIE WELT, Presse-Publikation

Olaf Scholz gilt nicht als Sympathieträger und Charismatiker. Trotzdem haben er und die SPD – obwohl sie lange Zeit chancenlos schienen – die Nase vorn. Im Interview mit der WELT erläutert Christopher Spall die Hintergründe für den Erfolg. Und leitet daraus drei Learnings für Führungskräfte ab, die jede Karriere beflügeln können.

Learnings für Führungskräfte

Das Interview mit Christopher Spall führte Marcel Reich.

1. Authentizität schlägt Charisma

WELT: Wie hat Olaf Scholz es geschafft, als Kanzlerkandidat in den Umfragen so weit aufzusteigen?

Wir brauchen wieder charismatische Leute, die in der Lage sind, Aufbruchstimmung zu erzeugen. Aber bei Zukunftsthemen sind wir hierzulande nur noch Mittelmaß. Weder Scholz noch Baerbock noch Laschet stehen mit einer Haarspitze für Aufbruch. Drei Kandidaten, die nicht das verkörpern, was unser Land jetzt braucht. Gleichzeitig merken wir aber, dass Scholz gar nicht charismatisch sein muss, um die Wählergunst zu gewinnen. Das ist auch eine Leistung des Wahlkampfteams. Sie lassen ihn so sein, wie er ist. Langweilig. Das ist mutig. Denn im Wahlkampf wird ein Kandidat üblicherweise in ein gewisses Licht gerückt. Bei Scholz sagt aber niemand: ‚Hey, Olaf! Vielleicht nochmal mit ein bisschen mehr Emotionalität.‘ Er ist ganz bei sich. Und damit wirkt er authentisch. (…)  Glaubwürdigkeit ist am Ende die Währung, die an der Wahlurne entscheidet. In Deutschland gilt doch noch immer: Authentizität schlägt Charisma.

WELT: Warum ist das so?

Charismatische Anführer werden hierzulande skeptisch beäugt. (…) Authentizität ist das entscheidende Werkzeug, um sich innerhalb der Profillosen und Langweiler zu differenzieren. Das gelingt Olaf Scholz. Er lässt sich nicht provozieren. Er verzieht keine Miene, sondern pariert und pariert. Und dadurch, dass er sich so verhält, wirkt er auch als einziger staatsmännisch. (…) Er liegt nicht nur vorne, weil er als einziger keinen schweren Fehler gemacht hat. Es ist diese Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbild. Das funktioniert bei ihm erstaunlich gut.

 

WELT: Wie hat Annalena Baerbock es geschafft, eben nicht wie der Aufbruch zu wirken?

Zum einen durch eigene Versäumnisse, die diese Aufbruchstimmung überstrahlen. Wenn nur noch über das Frisieren des Lebenslaufs und Abschreiben im Buch geredet wird, dann ist es verdammt schwer, mit eigenen Botschaften durchzudringen. Dann ist die Gesamtstimmung eher Moll als Dur. Zum anderen: Je länger dieser Wahlkampf geht, desto mehr kam auch in den Interviews heraus, dass Annalena Baerbock zwar die modernen Themen gut anmoderieren kann. Wenn es aber in die Details geht, strahlt sie Unsicherheit aus. Das ist Gift für den Aufbau einer Marke. Eine Marke soll Orientierung und Sicherheit geben. Die Marke Mensch hat die gleiche Aufgabe. Unsicherheit ist das Gegenteil von dem, was man von einer starken Marke erwartet. Da bleibt das Gefühl, dass dieser Job ein paar Nummern zu groß für sie ist.

WELT: Und warum steht Armin Laschet so schlecht da?

Der steht immer noch für diesen Lacher im Flutgebiet. Vermutlich ist es sogar eine positive Qualität, auch in schwierigen Situationen nicht den Mut zu verlieren. Doch sein Lacher ist zum Symbol dafür geworden, dass ihm das Format fehlen könnte für das Amt. Laschet ist dieses Thema nie losgeworden. Bei einer Persönlichkeitsmarke geht es um das Gefühl, was von ihr bleibt. Nun verkörpert Laschet das Gefühl Respektlosigkeit. (…) Scholz positioniert sich klar auf das Gefühl Respekt. Es vergeht kein Interview, in dem er nicht betont, dass er Respekt in die Gesellschaft zurückbringen will. Respekt für die Lebensleistung, für die Arbeitsleistung, für Gewerkschaften. Und was steht auf den Plakaten? ‚Respekt für dich‘. Das ist sein Gefühl, was er kommuniziert und ausstrahlt. Sehr konsistent, sehr stringent. Und zwar von Beginn des Wahlkampfs an.

WELT: Ein klares Profil können Sie aber keinem der Kandidaten attestieren, oder?

Wenn man die Positionierung der Kandidaten beleuchtet, sind alle drei profillos, gar keine Frage. Aber nur einer kommuniziert aktiv ein ganz bestimmtes Gefühl über verschiedene Kontaktpunkte hinweg. Also Plakat, Interview, Fernsehauftritt. Respekt, Respekt, Respekt. Da ginge noch viel mehr. In der Wirtschaft profiliert man Persönlichkeiten wie CEOs nicht nur mit einem Gefühl, da wird jedem Kandidaten eine klare Mission und ein innerer Antrieb zugeschrieben. Der Grund, weshalb er überhaupt aktiv ist. Bei unserem Bewerber-Trio sehen wir nur Wischiwaschi.

WELT: Wieso ist die Scholz-Kampagne so effektiv?

Mein Team und ich haben eine Methodik zur Messung der Wirksamkeit von Botschaften, die sogenannte MIIIKA-Methode. Jeder Buchstabe steht für ein ganz bestimmtes Erfolgskriterium. So können wir die Wirksamkeit von Botschaften in Prozent messen. Wir haben uns alle Plakate der vier großen demokratischen Parteien angeschaut, also Union, SPD, Grüne und FDP. Wie gut funktionieren eigentlich die Wahlslogans? Deutlicher Sieger dieses Rankings ist die SPD mit 85 Prozent. Platz zwei belegen die Grünen mit 61 Prozent. Die FDP folgt auf Platz drei mit 59 Prozent. Die Union ist das abgeschlagene Schlusslicht mit 47 Prozent. Das bedeutet, dass einzig die Plakatkampagne der Sozialdemokraten einen relevanten Beitrag zum Wahlerfolg leistet. Und der schwache Wert der CDU/CSU spiegelt die Profillosigkeit von Partei und Kandidat wider. Die SPD jedoch hat einen überragenden Job gemacht.

 

2. Klarheit: Bringe es auf den Punkt, in einem einzigen Satz

WELT: Was genau hat die SPD richtig gemacht?

Die Botschaften auf den Plakaten sind: ‚Respekt für dich‘, ‚Jetzt 12 Euro Mindestlohn wählen‘, ‚Kanzler für sichere Renten wählen‘, ‚Scholz packt das an‘. Die Statements bestechen durch eine hohe Merkfähigkeit und einen klaren Nutzen. Sie sind leicht weiterzuerzählen. Unter dem Strich kommunizieren die Plakate einen eindeutigen Grund die Partei zu wählen. (…) Im Grunde geht es um das, was wir aus der ganzen Trump-Ära gelernt haben: Bringe es auf den Punkt, in einem einzigen Satz. ‚Make America great again‘, ‚America first‘. Wenn du aber drei Sätze brauchst oder einen Satz mit Komma auf dem Wahlplakat, ohne klare Botschaft, dann gelingt es nicht die WählerInnen zu aktivieren.

WELT: Hilft es Scholz, dass man seine Art und Weise mit Merkel verbindet?

Der Typus Scholz hat große Ähnlichkeiten mit dem Auftreten von Angela Merkel. Diese Ruhe und Gelassenheit. Das, was man durchaus an Merkel geschätzt hat und was in der Pandemie an Stellenwert gewonnen hat. An diese Eigenschaften erinnert Olaf Scholz mit seinem fast gleichgültigen Auftreten. (…) Laschet verkörpert diese Ruhe, Gelassenheit und Kompetenz eben nicht. Scholz schon. Von Markus Söder wurde Scholz ein Schlumpf-Lächeln attestiert. Nun könnte dieses Schlumpflächeln am 26. September zum Siegerlächeln werden.

 

3. Emotionalität: Echte Gefühlsmenschen werden die Leader von morgen sein

WELT: Können Arbeitnehmer, Selbstständige und Chefs aus diesen Faktoren etwas für den eigenen Erfolg mitnehmen?

Authentizität vor Charisma. Da kann jeder etwas mitnehmen. Wir alle sind in Situationen, in denen wir uns beweisen müssen und in denen das Scheinwerferlicht auf uns gerichtet wird. Und sei es nur das nächste Bewerbungsgespräch, das wichtige Gespräch mit dem Kunden oder auf einem Symposium. Es lohnt sich, sich nicht nur in ein gutes Licht rücken zu wollen und die goldene Seite in die Kamera zu halten. Man darf sich trauen, einfach man selbst zu sein. Denn am Ende wird dieses ins rechte Licht rücken schneller als unglaubwürdig enttarnt als einem lieb ist. Im Zeitalter der sozialen Medien gehört es zum Pflichtprogramm, Echtheit zu verkörpern, anstatt eine Rolle zu spielen. Es darf uns ermutigen, dass es im Beruf nicht darum geht jemanden zu kopieren, sondern sich auf die eigene Identität zu besinnen. Man muss kein charismatischer Entertainer sein, um Autorität bei Mitarbeitern aufzubauen oder ein Unternehmen zu führen. Wir müssen eher unsere authentische DNA nach außen kehren. Egal ob als CEO, als Abteilungsleiter oder als ganz normaler Angestellter. Nur, ein bisschen mehr Emotionalität als bei Scholz schadet sicher nicht. Echte Gefühlsmenschen werden die Leader von morgen sein. Auf die zwischenmenschlichen Fähigkeiten kommt es an. Alles andere erledigt die künstliche Intelligenz.

 

WELT: Scholz hat sich gut positioniert. Was können wir daraus lernen?

Jeder sollte sich die Frage stellen: Welches Gefühl bleibt eigentlich nach einer Begegnung mit mir? Ist es jeden Tag ein anderes Gefühl? Bei Scholz ist es Respekt. Bei Obama war es Machbarkeitsglaube, verkörpert im positiven Leitspruch ‚Yes we can‘. Wofür will ich stehen? Sicherheit oder Inspiration? Es ist wichtig, den Leuten in einem Satz sagen zu können, was mich antreibt. Was auf meiner Visitenkarte oder im Lebenslauf steht, interessiert eigentlich keinen. Ein Beispiel: Zwei Bewerber für einen Job sind auf dem Papier gleich gut qualifiziert. Einer konnte im Gespräch aber klar sagen, was ihn antreibt, wofür ersteht. Dann ist das der erfolgsentscheidende Faktor.

 

WELT: Dieser Wahlkampf wirkte durch seine Schärfe und Attacken amerikanischer als jemals zuvor. Ist es da nicht überraschend, dass mit Olaf Scholz der Prototyp des Deutschen vorne liegt?"

Der, der am wenigsten versucht, sich als Held in Szene zu setzen, erhält die größte Wählergunst. (…) Ein Wahlkampf Markus Söder gegen Robert Habeck hätte uns einen Wahlkampf der Haltungen, einen Fight echter Persönlichkeiten beschert. So diskutieren wir über verbaerbockte Lebensläufe und einen laschen Lacher im Flutgebiet.

 

Bildquelle: Goumbik auf Pixabay 

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