Wettanbieter als Sponsoren: Imageschaden für Bundesligavereine ohne klare Positionierung

Mehrere Bundelsliga-Clubs setzen auf Wettanbieter als Sponsoren. Verzocken sich die Vereine? Im manager magazin nimmt Christopher Spall dazu Stellung.
Das Interview mit Christopher Spall führte Tim Spark.
Die Vereine verpassen es, sich glaubhaft zu positionieren und positiv abzugrenzen.
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Die Marketingabteilung des VfB Stuttgart hat sich ordentlich ins Zeug gelegt, damit die Fans auch in diesem Jahr wieder rund 100 Euro für ein Trikot ausgeben. „Aus Württemberg für Württemberg, im Rot des VfB. Das Auswärtstrikot 2023/24 beschränkt sich fast ausschließlich auf eine Farbe, und die steht für unsere emotionale Heimat. Das Rot des VfB und Württembergs als Basis, darin eingefügt der Brustring in Dunkelrot, dem Farbton unserer Mitgliedschaft. Die ebenfalls in Rot gehaltene Musterung des Trikots deutet das Relief Württembergs vom Bodensee bis zum Taubertal an und lässt charakteristische Geländeformen unserer Heimat wie die Schwäbische Alb deutlich erkennen.“
Was die Verkaufsstrategen aus Schwaben in ihrer Prosa allerdings verschweigen: Auf der Brust der neuen VfB-Trikots prangt der Schriftzug Winamax. Der allerdings steht nicht für das Relief Württembergs oder die Schwäbische Alb, sondern für einen Onlinewettanbieter mit Sitz in Paris.
Für den Traditionsklub ist die Wahl der Franzosen ein riskantes Spiel.
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Nachhaltiges Wirtschaften wird zukünftig für Profiklubs noch relevanter werden, weil das auch für fast alle potenziellen Sponsoren wichtiger wird. Wenn man sich da frühzeitig positioniert, wird man mehr Unternehmen als Sponsoren gewinnen.
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Millionen aus der Glücksspielindustrie
Medienberichten zufolge erhält der VfB zwischen 6,5 und 8,5 Millionen Euro pro Saison von Winamax.
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Der Deal der Schwaben markiert einen Höhepunkt des Sponsorings durch Wettanbieter, die schon seit Jahren im deutschen Fußball mitmischen. Das Geld aus der Glücksspielbranche gilt als verpönt, nun sind die Zocker vom Dienst als Trikotsponsoren Teil des Establishments. Zwar wirbt bisher nur der VfB in der Bundesliga auf der Brust für Glücksspiel – aber auch alle anderen 17 Erstligisten erhalten in kleinerem oder größerem Umfang Geld aus der Branche.
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In Deutschland gelten 1,4 Millionen Menschen als spielsüchtig.
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Aus Studien geht hervor, dass der Umsatzanteil durch Spielsüchtige rund 30 bis 40 Prozent des gesamten Sportwetten-Umsatzes ausmacht. Faninitiativen und andere Organisationen setzen sich immer wieder für Werbeverbote für die Glücksspielindustrie im Fußball ein. Bisher vergebens.
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Fans schauen nicht mehr nur darauf, was auf dem Platz passiert, sondern auch neben dem Platz. Spätestens seit der WM in Katar ist klar, dass Fußballfans ein gesteigertes Bewusstsein dafür haben.
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Verbote in anderen Ländern
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In Spanien ist man da schon weiter. Sportwetten wurden dort grundsätzlich von Trikots, aus den Stadien und teilweise aus dem Fernsehen verbannt. Auch in Italiens Serie A gelten schon seit Jahren Werbeverbote. Die englische Premier League, weltweiter Marktführer und bislang nie verlegen, viel Geld von Oligarchen oder saudischen Staatsfonds zuzulassen, hat sich für einen halbseidenen Kompromiss entschieden: Ab 2026 dürfen auf der Vorderseite der Trikots keine Sportwetten mehr beworben werden, auf allen anderen Werbeflächen dagegen schon.
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Verzichtet man jetzt auf die Millionen aus der Glücksspielindustrie, wirkt sich das zukünftig positiv aus. Ich bin fest davon überzeugt, dass die kurzfristigen finanziellen Einbußen nicht nur wettgemacht, sondern überkompensiert werden können.
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Kindertrikots ohne Sponsorenlogo
Der VfB Stuttgart hat in der vergangenen Saison, trotz sportlich eher mauen Leistungen, 70.000 Trikots verkauft – Vereinsrekord.
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Der VfB Stuttgart wird weniger Trikots verkaufen, das ist ganz sicher. Weil die Menschen im Ländle sich nicht mit einem französischen Onlinewettanbieter identifizieren.
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Zumindest bei den Trikots in Kindergrößen, die immerhin rund 30 bis 40 Prozent der Trikotverkäufe ausmachen, könnte der Absatz stabil bleiben. Denn auf diesen Trikots steht als Maßnahme zum Jugendschutz der Schriftzug Stuttgart – bei den Kindertrikots der Hertha ist die Brust blank.
Bildquelle: Foto von Amit Lahav auf Unsplash
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