Marke Em-eukal: Wie wird aus einer Traditionsmarke ein Innovationsführer?
Interview mit Perry Soldan, geschäftsführender Gesellschafter Dr. C. SOLDAN / 28. Juli 2017
Das Familienunternehmen Dr. C. SOLDAN stellt bereits in vierter Generation Premiumbonbons her – seit mehr als 115 Jahren. Gerade die Marke Kinder Em-eukal ist überaus bekannt und beliebt. Im Gespräch mit Herrn Perry Soldan, geschäftsführender Gesellschafter, kommen wir dem Geheimnis der starken Marke Em-eukal auf den Grund.
Im Interview erfahren Sie, wie die Marke mit einem mutigen Kursschwenk eigene Denk- und Umsatzgrenzen gesprengt hat. Und Perry Soldan stellt sich der Frage, wie man eigentlich aus einer Traditionsmarke einen Innovationsführer macht.
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Verleihung des diesjährigen Marken-Awards in der Kategorie „Beste Marken-Dehnung“ für Ihre neuen Em-eukal Gummidrops. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Wir freuen uns über die Auszeichnung – Ziellinie durchschritten. Zum anderen ist es Balsam für die Seele, weil wir uns gegenüber größeren Marken durchsetzen konnten. Diese Auszeichnung bekräftigt unseren mutigen Weg, neue Impulse im Verpackungsbereich und für Rezepturen zu setzen.
Was ist für Sie grundsätzlich das Geheimnis einer starken Marke? Welche Zutaten braucht es aus Ihrer ganz persönlichen Sicht, um eine starken Marke zu werden?
Eines ist ganz klar: Geld alleine reicht nicht. Wir prägen unsere Marke durch Authentizität. Unser klares Ziel ist es, die Marke bei jedem Mitarbeiter im Herzen zu verankern. Die Mitarbeiter müssen sich mit der Marke identifizieren können.
Liebe und Leidenschaft sind Voraussetzung für eine starke Marke und auch Voraussetzung, wie man ohne große Budgets eine Marke werden kann und bleiben kann.
Eine weitere Zutat ist sicherlich, im Bereich Innovationen ganz oben mitzuspielen. Innovation ist ein vielgepredigter Begriff, aber ich glaube, Unternehmen müssen den Markt mitgestalten, um eine Chance zu bekommen. Starke Marken sind die, die überraschen.
Herr Soldan, wie würden Sie heute die Marke Em-eukal in einem Satz beschreiben?
Das Bonbon mit der Fahne, das Geschmack und Wirkung zeigt. Wir wollen immer die perfekte Kombination aus „schmecken und wirken“ für unsere Produkte ausbalancieren – und das in Premiumqualität.
Ihr Marktanteil sank 2007 auf den Tiefstand. Wie haben Sie die Situation damals erlebt?
Wir selbst haben in dieser Zeit keine akute Gefahr gesehen. Em-eukal war aus Sicht der Konsumenten eine solide Marke. Dieser fehlte jedoch das Zukunftsweisende. Die meisten kannten die Marke aus der Apotheke und von Opa und Oma. Darüber hinaus kamen uns Wettbewerber immer näher.
An dem Punkt war für uns klar, wir wollen und müssen uns weiterentwickeln. Wir wussten, dass die Unternehmensmarke Dr. C. SOLDAN bei Konsumenten keine hohe Relevanz hat, sie fungiert mehr als Absender der einzelnen Marken. Wir haben uns daher Gedanken gemacht, wie wir mit der Marke Em-eukal weitermachen können. So hatten wir damals zusätzlich zur Marke Em-eukal die Marken „Em-fital“ für fruchtige Bonbonsorten und „Em-herbal“ für Kräutersorten. Der Verbraucher hat keine Verknüpfung mehr hergestellt. Hätten wir auf diesen Weg beharrt, wären wir mit Em-eukal sicherlich in dem reinen Hustenthema hängengeblieben. Durch Versuch und Irrtum haben wir festgestellt: Der Konsument ist teilweise schwierig und manchmal brutal einfach.
Heute steht besonders die Marke Em-eukal wieder richtig gut da.Was war die Lösung? Wie haben Sie die Markendehnung strategisch hinbekommen?
2008 haben wir einen Cut gemacht. Wir haben unsere gedanklichen Hürden überwunden und alle entwickelten Bonbonsorten unter der Marke Em-eukal laufen lassen. Das Ergebnis war beeindruckend: Sobald Em-eukal auf den Verpackungen stand, sind die Artikel sofort mit 20-25% gewachsen.
Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt?
Rückblickend haben wir aus dieser Zeit 3 Dinge mitgenommen:
Erfolg durch Fokussierung: Alle unnötigen Marken raus. Mutiger sein. Und der Marke mehr zutrauen.
Marke wirkt nicht nur nach Außen, sondern auch nach Innen. Viele mittelständische Unternehmen treibt gerade die Frage um, wie sie auch als Arbeitgeber zur starken Marke werden können – Stichwort Fachkräftemangel.
Wie schaffen Sie es, dass sich Mitarbeiter mit Ihrem Unternehmen identifizieren?
Ich sehe es als Vorteil, dass die Inhaberfamilie noch anwesend und greifbar ist. Mit meinem Wertesystem und meiner Einstellung präge ich das Unternehmen mit und kann die Marke vorleben.
Bei Einstellungsgesprächen mache ich das heute so: Ich taste im Vorfeld ab, ob sich jemand mit der Marke und den Rezepturen auseinandergesetzt hat.
Wenn ich das Gefühl habe, dass einer keine Lieblingssorte hat, dann passt er schon nicht mehr zu uns. Dabei stelle ich fest, ob sich jemand für unser Tun begeistern kann, oder ob es für die Bewerberin, den Bewerber einfach nur ein Job ist. Wenn ich im Vorstellungsgespräch zum Beispiel merke, dass Geld die Triebfeder ist, dann weiß ich, dass wir nicht zusammenpassen. Deshalb ist es auch Teil meiner Strategie, Alternativen zu Prämien zu definieren – ob Home-Office oder gezielte Weiterbildung. Echte Bindung von Mitarbeitern geht nicht über das Gehalt.
Wofür steht das Unternehmen Dr. C. SOLDAN als Arbeitgeber?
Wir versuchen als Arbeitgeber, dass das Berufsleben auch die Erfüllung ist und dass die Leute gerne zur Arbeit kommen. Uns bei Dr. C. SOLDAN ist wichtig, dass Menschen aus mehreren Bereichen an einer Sache zusammenarbeiten. Ziel ist es, alle Mitarbeiter als Fans der Marke zu gewinnen.
Wie schaffen Sie es, diese Philosophie zu leben?
Wir haben eine eigene Stelle geschaffen, die sich nur um Mitarbeiterentwicklung kümmert. Weiter haben wir zum Beispiel bei Besprechungen mit Führungskräften als ersten Punkt das Thema „Mensch“ auf der Agenda. Dahinter steckt meinerseits und von der Führungsmannschaft ein ehrliches Wollen, die Mitarbeiter zu entwickeln. Für die Zukunft nehmen wir uns vor, unsere Werte Leidenschaft, Wertschätzung, Verantwortung und Verlässlichkeit im Rahmen der Mitarbeiter-Entwicklungsgespräche abzufragen. Zum Beispiel: „Hast du diesen Wert gelebt?“ und „Wo ist dir dieser Wert im Unternehmen begegnet?“ Die Menschen sollen spüren, dass uns das im Unternehmen wichtig ist. Dabei ist mir allerdings bewusst, dass so etwas Zeit braucht.
Mit welcher Marke sollen sich Ihre Mitarbeiter identifizieren?
Unsere Mitarbeiter sollen sich mit der Firma Dr. C. SOLDAN identifizieren – und damit mit allen Marken, die zur
Dr. C. SOLDAN-Markenfamilie zählen: von Em-eukal über Kinder Em-eukal bis hin zu Rheila.
Hand aufs Herz- Was sagen Ihre Mitarbeiter heute, bei wem sie arbeiten?
Lacht – schwierig. Die Leute sagen heute, sie arbeiten bei Em-eukal.
Wie beschreiben Sie die Grundwerte Ihres Unternehmens? Den Kern, an dem sich zukünftige Entwicklung und Verhalten ausrichten können?
Unser Unternehmen hat 4 Werte. Diese Werte sind ein Mix aus Unternehmenshistorie und meinen eigenen Werten. Zwei dieser Werte liegen mir besonders am Herzen. Zum einen der Wert Leidenschaft, dass jemand Lust hat, seine Arbeit zu machen. Zum anderen der Wert Verlässlichkeit. Wenn ein Mitarbeiter mit diesen Werten nicht zurechtkommt, trennen sich unsere Wege.
Herr Soldan, Sie führen das Unternehmen nun seit 2005 in der 4. Generation fort. War für Sie immer klar, dass Sie in diese Rolle hineinwachsen werden, oder hatten Sie andere Pläne?
Für mich war es nicht von Anfang an klar, dass ich diese Rolle übernehmen werde. Auch mit meinem Vater hatte ich lange nie darüber gesprochen. Ich wollte ursprünglich Diplomat oder Schauspieler werden.
Wann kam für Sie der Moment, in dem Sie entschieden haben „Jawohl, ich werde das Ruder übernehmen“?
Es gab einen Moment, aber auch einen Prozess. Wenn es am härtesten ist, kommt man am schnellsten auf die Sinnfrage. In der Phase, als mein Vater verstorben ist, habe ich eine klare, innere Haltung entwickelt. Als ich mich für diesen Weg entschieden hatte, war es nie wieder eine Frage für mich.
Wie schwer oder leicht ist es Ihnen gefallen, Ihren eigenen Stil als Unternehmenslenker zu finden, ohne jeden Moment mit dem Vater verglichen zu werden oder ihm nachzueifern?
In der Zeit, in der mein Vater noch im Unternehmen war, war es schwer für mich ein Profil zu entwickeln. Mein Vater galt als eher dominant. Mir persönlich ist es wichtig, authentisch Dinge im Herzen zu tragen und bis zur letzten Konsequenz zu leben. Auch wenn es nicht ausschließlich eigene Vorteile mit sich bringt.
Inwieweit ist die Fahne, die seit 1923 Stilmerkmal der Marke Em-eukal ist, ein Ausdruck von Trägheit, oder strategischem Wille?
Die Fahne werde ich nie anlangen. Sie muss immer Teil eines jeden Produkts sein. Das ist doch unser Qualitätssiegel für die Marke Em-eukal. Sie ist das, was die Flasche für Coca-Cola ist.
Was würden Sie Traditionsunternehmen raten, die einen kräftigen Impuls nach vorne suchen?
Sie brauchen ein erstes eigenes klares Bild, indem Sie Grundsatzfragen für sich beantworten. Zeichnen Sie dann ein klares Bild von dem, was Sie sein möchten und wo Sie hinwollen. Als Firma, als Mensch und am Markt. Suchen Sie sich einen externen Berater mit der notwendigen Expertise, der Sie begleitet. Formen Sie sich ein tolles Team, das mit Ihnen an einem Strang zieht. Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen eine Kurskorrektur vollziehen, dann nehmen Sie starke Veränderungen vor und schneiden Sie tief und sauber. Es geht viel Energie verloren durch kleine Trippelschritte.
Wenn Sie 2038 als Geschäftsführer abtreten würden, welche Headline würden Sie gern in der Lebensmittelzeitung über sich lesen?
Der Lotse geht von Bord.
– Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Soldan, und alles Gute für die Zukunft.
Bildquelle: Dr. C. SOLDAN
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