Boykott von US-Brands: Welche Marken langfristige Folgen fürchten müssen – und welche sogar profitieren könnten

Der amerikanische Präsident Donald Trump versetzt die ganze Welt in Aufruhr. Seine umstrittenen Entscheidungen schlagen gesellschaftlich und politisch hohe Wellen. Während Produzenten und Händler mit kontroversen Ankündigungen zu Zöllen verunsichert werden, formiert sich Widerstand seitens der Konsumenten: Aufrufe zum Boykott von US-Produkten werden laut, besonders in Kanada und Dänemark. Welchen Marken drohen jetzt sinkende Verkaufszahlen und Imageverlust? Und mit welcher Strategie können starke Marken in dieser Krise profitieren? Wir liefern eine kurze Analyse.
Auch im Interview mit dem Handelsblatt beleuchtet Christopher Spall die Konsequenzen der Boykottaufrufe.
Das Interview mit Christopher Spall führte Michael Scheppe.

Welche Faktoren beeinflussen die Wirksamkeit von Boykottaufrufen?
Ob und in welchem Umfang Boykottaufrufe gegen US-Marken zu Umsatzeinbrüchen und Imageschäden führen, hängt entscheidend von zwei Faktoren ab:
1. Substituierbarkeit der Produkte
Wie einfach kann eine Produkt durch ein anderes ersetzt werden?
Austauschbare Marken bekommen eher Probleme als Markenikonen wie Harley Davidson. Bei weniger starken Marken spielen Aspekte wie Kaufkraft, Aufwand der Neuanschaffung und echte funktionale Unterschiede eine größere Rolle.
2. Differenzierung zwischen Ursache und Wirkung
Viele Menschen außerhalb der Vereinigten Staaten differenzieren zwischen ihrer Ablehnung gegenüber der neuen amerikanischen Regierung einerseits und amerikanischen Produkten bzw. Marken andererseits: Während sie die aggressive Politik Trumps ablehnen, wollen sie wiederum nicht auf ihre amerikanischen Lieblingsmarken verzichten – und lassen sich den Genuss ihres Jack Daniel’s Whiskey von Trump, Vance und Musk nicht nehmen.
Für Tesla gilt das allerdings nicht! Die Verkaufszahlen werden in Europa und Kalifornien weiter dramatisch zurückgehen. Und das hat Musk ganz ohne Zölle geschafft.
Tesla steht im Auge des Sturms, den Elon Musk mit seinen Eskapaden und
seiner neuen Rolle als Trump-Buddy und DOGE-Chef zusammengebraut hat.
Globale Identität trotz lokaler Produktion
Starke Marken, die ursprünglich aus den USA stammen, wie Coca-Cola, werden für den heimischen Markt auch in Deutschland produziert. Für die Konsumenten spielt es keine Rolle, wo das Zuckerwasser produziert wird. Sie unterscheiden nicht zwischen Coca-Cola USA und Coca-Cola Deutschland. Selbst wenn in Konzernen dutzende Sub-Identitäten einer Marke bestehen: Eine Marke hat in der Regel nur eine Identität, die von außen wahrgenommen wird.
Wie können Marken trotz Boykottaufruf profitieren?
Grundsätzlich können auch amerikanische Marken profitieren, wenn Sie eine klare Haltung aus der Identität der Marke heraus zeigen. Indem sie sich z. B. für die ehemals gemeinsamen westlichen Werte – wie Offenheit und Freiheit – einsetzen.
Amerika hat das westliche Wertebündnis vorerst verlassen. Doch für amerikanische Marken gilt das nicht zwangsläufig. Die Bereitschaft der meisten US-Brands, Haltung gegen Trump zu zeigen, hat zwar rapide abgenommen. Allerdings werden die wenigen, die aufstehen, umso mehr gesehen.
Populäres Beispiel einer Marke, die trotz oder dank eines Boykottes bei ihrer Zielgruppe punktete, ist Nike. Während Trumps erster Amtszeit fuhr der Sportartikelhersteller eine große Kampagne mit Footballspieler Colin Kaepernick. Dieser war zuvor durch seine Weigerung bekannt geworden, vor dem Spiel die Nationalhymne zu singen – als Zeichen gegen Rassismus. Trump-Anhänger riefen zum großen Boykott der Marke auf. Doch Nike bewahrte Haltung und stärkte damit die Markenreputation.
Wen hält der einst katastrophale Elchtest der A-Klasse
heute vom Kauf eines Mercedes ab?
Welche kurz- und langfristigen Effekte sind möglich?
Starke Marken sind wie starke Bäume: Ein „Shitstorm“ kann sie nicht so schnell entwurzeln. Wer denkt heute noch bei der Marke Samsung an ein brennendes Smartphone im Flugzeug? Oder bei Müllermilch an ein Treffen von Unternehmer Theo Müller mit der AfD?
Kurzfristig können Marken abgestraft werden. Starke Marken erholen sich in der Regel wieder – wenn die Verfehlung nicht zu groß war. Unmittelbar sind Einbußen aber durchaus möglich. Schwache Marken können in Krisensituationen schneller entwurzelt werden. Dann sind Umsatzeinbrüche und Imageschäden durchaus möglich. Oft jedoch wächst wieder Gras über die Sache, wenn die schlechten Nachrichten schnell von neuen überlagert werden.
Doch es gibt auch zahllose Beispiele von Marken, die nach einem Boykott nie mehr richtig auf die Beine kamen. Ein populärer Fall ist Abercrombie & Fitch. Der frühere CEO Mike Jeffries verkündete einst öffentlich, dass die Marke ausschließlich für „coole und attraktive“ Menschen da sei und man deshalb bewusst keine Übergrößen anbiete. Der Boykott traf auf einen Wertewandel der Millenials, die nicht mehr als Werbetafeln für die großen Buchstaben der Marke durch die Gegend laufen wollten. Es folgten mehrere Umstrukturierungen. Bis heute hat die Marke es nicht geschafft, zu alter Relevanz zu finden. Eine Kleidungsmarke wie Abercrombie & Fitch lebt allein von ihrer Attraktivität. Einen funktionalen Differenzierungsvorteil bietet die Marke nicht. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Marke nie wieder an alte Erfolge anknüpfen konnte.
Die Urfunktion von Marken ist, Orientierung und Sicherheit zu geben.
Die menschliche Schwäche spielt Marken in die Farbe
Zugute kommt den US-Marken die sogenannte Intentions-Verhaltens-Lücke (engl. intention-behaviour gap). Das Phänomen beschreibt, dass viele Menschen das eine sagen (Intention) und das andere tun (Verhalten). Ein bekanntes Beispiel: Von vielen wird gerne behauptet, dass sie nur Bio kaufen. An der Frischetheke im Supermarkt wird aber dann doch das günstigere Fleisch gekauft.
Dieser Mechanismus greift auch angesichts des Aufrufs zum Markenboykott: Die bekannte Marke gibt Sicherheit und Orientierung. Deshalb scheuen sich die meisten Konsumenten davor, nach einer Alternative Ausschau zu halten. Vor allem dann nicht, wenn dies mit viel Aufwand verbunden ist.
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