Die 5 unverwechselbaren Markenlehren des Jahres 2022

28.12.22

Markenlehren 2021

Was bleibt aus Markensicht von diesem Jahr?

1. Die Musk-Lotterie: Wird Twitters Husten zur Lungenentzündung für Tesla & Co?

Elon Musk war auch 2022 wieder omnipräsent. Nicht jedoch wie gewohnt in seinen starken Rollen als Vordenker, Macher und Impulsgeber, sondern als Manager seiner neuesten Akquise: Twitter. Dort räumte der Tesla und SpaceX Chef erstmal kräftig auf. Nicht einmal Kaffeemaschinen und Büromöbel waren vor seinem Kahlschlag sicher. Doch es läuft nicht wie gewohnt für den in letzter Zeit erfolgsverwöhnten Südafrikaner. Plötzlich erhält der exzentrische Multimilliardär Gegenwind. Kürzlich wurde er sogar bei seinem Überraschungs-Auftritt in der Show von Comedian David Chappelle minutenlang ausgebuht. Woran liegt das? Elon Musk verlässt mehr und mehr die Rollen, in denen er glänzt. Mit Tesla revolutionierte Musk die Elektromobilität, mit SpaceX fliegt er für die NASA ins All und mit Starlink macht er Internet auf der ganzen Welt möglich. Hier geht der Innovator auf und ist wie der Fisch im Wasser. Als klassischer Manager, wie aktuell beim Kurznachrichtendienst Twitter hingegen, wirkt er deplatziert. Und das wird wahrgenommen. 

Musk verliert mehr und mehr Rückendeckung aus der Bevölkerung und gefährdet mit diesem Glaubwürdigkeitsverlust auch seine anderen „Kinder“. Insbesondere die Tesla-Aktie hat 2022 mehrt als 50 % an Wert verloren. Erste Konsequenzen hat Musk bereits gezogen. Per Umfrage lies er die Twitter-Nutzer abstimmen, ob er weiterhin in der Rolle des Twitter-Managers bleiben sollte. Wenig verwunderlich stimmte die Mehrheit für „Nein“.

Was lernen wir daraus?

CEO Branding ist keine Mickey-Maus-Disziplin, sondern Basishandwerk für C-Level Verantwortliche. Im Fall von Elon Musk riskiert er gerade den Erfolg seiner Marke Tesla. Nur den wenigsten ist klar: Etwa 50 % der Unternehmensreputation gehen auf den CEO zurück. Musk handelt intuitiv. Und lag oft richtig. Jetzt schlägt die Lotterie ins Gegenteil. Eine wirksame CEO-Positionierung und ein klares Rollenverständnis sind die Schlüssel für das Ende der Lotterie und der Beginn für eine systematische Stärkung der Unternehmensmarke(n) durch den CEO. Aber vielleicht ist das dem (zweit)-reichsten Menschen der Welt auch einfach egal.

2. Chinas Angriff auf deutsche Automarken: Wie relevant sind 130 Jahre Geschichte für den Erfolg einer Marke?

BMW und Mercedes gehören auch 2022 nach wie vor zu den 15 wertvollsten Marken der Welt. Doch was ist das in einer Industrie wert, die sich im Eiltempo vom Verbrennungsmotor wegentwickelt? Ein Blick auf China, den größten Automarkt, zeichnet ein düsteres Bild. In diesem Jahr hat dort beispielsweise die bei uns vollkommen unbekannte Marke Human Horizons ihr Oberklassemodell HiPhi X häufiger verkauft als Mercedes den EQS. Die Fertigungsqualität in Fernost und insbesondere die hohe Software-Kompetenz ermöglicht es chinesischen Herstellern, den deutschen Giganten im Elektroauto-Premiumsegment immer mehr Wasser abzugraben. Unangefochtener Marktführer in China ist bei Elektroautos übrigens BYD. Nie gehört? Das Modell Tang kann bereits in Europa vorbestellt werden.

Ist die deutsche Ingenieurskunst, wie der Verbrennungsmotor, plötzlich nichts mehr wert? Daimler hat mehr als 130 Jahre Erfahrung. Doch seit 2022 tanzen die chinesischen Premiummarken wie Nio dem Erfinder des Automobils leistungsmäßig auf der Nase herum. Deutsche Hersteller müssen mit Ballon-Rabatten in China aufbieten, um überhaupt Autos zu verkaufen. Das Premium-Image bei Verbrennern ist also nicht eins zu eins übertragbar auf Elektroautos. Und bislang konnte man den Unterschied zur Konkurrenz aus China auch noch im Innenraum spüren. Doch diese Zeit ist vorbei. Marken wie Nio agieren im gleichen Premium-Segment. Sowohl Design als auch Interieur ist auf Augenhöhe mit den deutschen Traditionsmarken.

Wir sind überzeugt, dass es den heimischen Automarken gelingen kann, die Kurve zu kriegen. Dafür bedarf es jedoch mehr als Softwarekosmetik und neue Modelle.

Was gilt es zu tun? Die deutschen Edelmarken müssen wieder echte Differenzierung schaffen. Dabei braucht es eine Rückbesinnung auf die eigene Identität und die Übersetzung in die E-Autowelt.

Was lernen wir daraus?

Tradition alleine ist wertlos. Nur wenn eine langjährige Historie zu einem konkreten Mehrwert führt, ist sie kaufentscheidend. Nur dann stärkt sie die Marke. Deshalb sollten hiesige Autogiganten wieder mehr an konkreten Differenzierungsvorteilen arbeiten. Dann sind Premium-Preise gerechtfertigt. Dann können BMW, Mercedes und Audi die chinesische Konkurrenz womöglich abwehren. Doch erstmal stehen einige Hausaufgaben an: Die deutsche Software im Mercedes erkennt Spracheingaben auf Mandarin aktuell nicht zuverlässig.

3. Adidas' Odyssee mit rassistischem Rapper: Wenn Reichweite um jeden Preis zum Bumerang wird

Im Oktober 2022 beendete Adidas nach 8 Jahren die Kooperation mit Rapper Kanye West. Unter der Schuhmarke ADIDAS YEEZY (Spitzname von West) erzielten die Herzogenauracher zeitweise über 1 Mrd. $ pro Jahr. Nachdem West erneut mit seiner rassistischen und antisemitischen Haltung Schlagzeilen machte und verkündete, ADIDAS könne ihn nicht fallenlassen, zog der Sportartikelhersteller endlich die Reißleine. Zuvor sperrten bereits Instagram und Twitter die Konten des Rapper, Luxushersteller Balenciaga beendete die Zusammenarbeit und JPMorgan Chase kündigte die Konten. Wests Eskapaden sind keine Überraschung: Seine Karriere ist gespickt mit kontroversen Auftritten und Aussagen.

Was lernen wir daraus?

Kooperationen können enorm lukrativ für Marken sein – jedoch auch enorm gefährlich. Insbesondere Kooperationen mit Persönlichkeiten können schnell dazu führen, dass die Merkmale der Person mit der Marke verbunden werden. Oftmals sollen Kooperationen die Bekanntheit einer Marke um jeden Preis pushen. Dabei wird jedoch häufig vergessen, dass Attraktivität die wertvollere Währung ist. Eine bekannte Marke, die keiner möchte, ist wertlos. Eine hoch-attraktive Marke in der Nische hingegen kann äußerst erfolgreich sein. Als Bonus werden attraktive Marken weiterempfohlen, was automatisch Bekanntheit generiert. Wenn Sie sich also Gedanken über Kooperationen machen, achten Sie darauf, dass Sie Partner auf Basis übereinstimmender Werte und einem thematischen Fit auswählen – nicht bloß auf Basis der Bekanntheit. So bauen Sie langfristig Attraktivität für Ihre Marke auf und vermeiden Shitstorms.

4. Was uns Messis Triumph lehrt: Die Macht des gemeinsamen Kernzwecks

Wie enorm verbindend ein gemeinsamer Kernzweck sein kann, bewies kürzlich die argentinische Nationalmannschaft um Kapitän Lionel Messi. Trotz Auftaktniederlage gegen Saudi-Arabien hörte die Mannschaft nicht auf, an die gemeinsame Mission zu glauben: Ihrem Nationalhelden zum krönenden WM-Titel zu verhelfen. Ein Kraftakt nicht nur für den 7-Maligen Ballon D’Or Gewinner Messi gegen ein Frankreich, dessen Kader auf dem Papier fast 400 Mio. € wertvoller war.

Was lernen wir daraus?

Was im Fußball funktioniert, klappt auch für Marken in der Wirtschaft. Wir müssen uns bewusst machen, welche Kraft ein gemeinsamer Auftrag in Form eines klar formulierten Kernzwecks (Purpose) entfachen kann. Wirksamer als jeder Bonus und jeder Benefit kann die Antwort auf die Frage „Wozu braucht es uns?“ sein. Der Kernzweck sollte heute für jede Marke ein unverzichtbarer Baustein der Markenidentität sein. Dabei ist es egal, ob ihr Unternehmen Schrauben herstellt oder Steuerberatung macht. Wer Identifikation ernten will, muss Sinn sähen.

5. Von Patagonia lernen heißt mehr Radikalität wagen

Patagonia gilt schon lange als Musterbeispiel für die Verbindung von Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg. In diesem Jahr hat Firmengründer Yvon Chouinard weitaus mehr gewagt, als die allseits bekannte Anzeige von 2011 mit „Don’t buy this jacket“ oder die Entscheidung im Jahr 1996, nur noch mit Bio-Baumwolle zu produzieren: Er hat Patagonia an eine gemeinnützige Stiftung übertragen. Alle Gewinne, die nicht in das Unternehmen reinvestiert werden, gehen im Kampf gegen den Klimawandel an diese. Wir sind sicher, dass dieser Schritt die Attraktivität der Marke in neue Höhen befördern wird.

Man könnte auch behaupten, Patagonia ist genau wegen ihrer radikalen Aktionen so erfolgreich. Wo wir beim Ursprung des Wortes Radikalität angelangt wären. Das Wort stammt vom lateinischen Wort Radix und bedeutet übersetzt Wurzel. Wer etwas radikal anpackt, widmet sich einem Problem also an der Wurzel. Im allgemeinen Sprachgebrauch jedoch ist das Adjektiv radikal fast ausschließlich negativ konnotiert. Von der „Radikalisierung“ ganz zu schweigen.

Was lernen wir daraus?

Vielleicht brauchen wir mehr Radikalität in Organisationen und unserem Leben, also mehr Menschen, die Probleme an der Wurzel packen und die Strategien konsequent zu Ende führen. Genau diese Konsequenz, diese positive Radikalität, sehen wir bei Patagonia.

Keine Sorge, Sie müssen Ihre Marke nicht an eine Stiftung übergeben. Doch Chouinard lehrt uns eins: Engagement ist nur wirklich glaubwürdig, wenn es auch etwas kostet. Wenn es den Anschein erweckt, dass Ihr Engagement nur dem Zweck der Gewinnmaximierung dient, werden es Ihre Kunden schnell merken und abstrafen. Springen Sie also nicht auf den „1 Baum pro Kasten“ – Zug auf. Denn am Ende muss Ihre Marke nicht die Welt retten.

Identifizieren Sie ein gemeinnütziges Thema, dass zur Identität Ihrer Marke passt, und ziehen Sie es durch. Egal ob Sie als Reisemarke jedes Jahr ausgewählte Strände auf Mallorca säubern oder als Hersteller von Schreibwaren eine Schule in Kenia unterstützen. Das Wichtigste: Sie und Ihre Mitarbeiter müssen voll dahinterstehen. Dann werden Ihre Kunden das Engagement wertschätzen und sich stärker an Ihre Marke binden.

Die stärkste Marke liegt in dir selbst. Deshalb bleibt unser Fazit 2022 das gleiche wie 2021:

Identität entwickeln. Attraktivität spüren.

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